Kardiale Troponine

Einsatz von Troponin T zur Diagnostik akuter koronarer Syndrome
 
Kardiale Troponine sind die herzmuskelspezifischen Isoformen von Troponin T (TnT) und Troponin I (TnI). Gemeinsam mit einem dritten Troponin (Troponin C/ nicht herzmuskelspezifisch) bilden sie den Proteinkomplex, der zusammen mit dem   Tropomyosin die Kontraktilität des Herzmuskels reguliert. Die Konzentration kardialer Troponine im Blut Gesunder ist sehr gering und nur mit hochsensitiven Bestimmungsmethoden zuverlässig messbar. Bei einer nekrotischen Schädigung des Herzmuskels werden sie innerhalb von 3-4 h in die Zirkulation freigesetzt; der Anstieg korreliert mit dem Ausmaß des Myokardschadens.
Zur Diagnostik akuter koronarer Syndrome (ACS) sind beide Troponine gleichermaßen geeignet und haben ältere, weniger spezifische Biomarker wie die CK-MB und das Myoglobin weitgehend abgelöst.

Nachweisgrenzen, Entscheidungsgrenzen, Bestimmungsmethoden, Einschränkungen
Nachweis-, Bestimmungs-, Entscheidungsgrenze
Die Nachweisgrenze (Limit of Detection) ist die niedrigste Konzentration eines Analyten, die zuverlässig (mit einer Wahr-scheinlichkeit von 95%) von Null unterschieden werden kann. Die Bestimmungsgrenze (Limit of Quantification) oder funktionale Sensitivität ist die niedrigste Analytkonzentration, die mit einem Variationskoeffizienten von ≤ 10% reproduzierbar gemessen werden kann, sie liegt über der Nachweisgrenze. Diese Begriffe sind also nicht synonym, werden jedoch oft synonym gebraucht und verstanden. Das ist für praktische Zwecke meist bedeutungslos, kann jedoch zu Verwirrung führen, wenn man Angaben von Testherstellern, Empfehlungen und Publikationen vergleicht.
Als Entscheidungsgrenze (Richtwert) wird für die Troponine die 99. Perzentile einer Population gesunder Individuen verwendet.
Schnellteste vs. automatisierte Messverfahren
Zur Bestimmung der kardialen Troponine stehen Schnellteste für die Point of Care-Diagnostik und automatisierte Messverfahren mit kurzer Turn-around-time im Labor zur Verfügung. Schnellteste liefern direkt am Patienten ein Ergebnis; die deutlich geringere Sensitivität und schlechtere Spezifität schränken ihren Einsatz jedoch erheblich ein. Die Nachweisgrenzen der besten aktuell verfügbaren Schnellteste liegen etwa 20fach über der Nachweisgrenze hochsensitiver automatisierter Testverfahren. Kleinere Infarkte oder Myokard-infarkte ohne typische ST-Elevation (NSTEMI) können damit übersehen werden! Bitte die Nachweisgrenzen der verwendeten Troponin-Schnellteste überprüfen.
Konventionelle, sensitive und hochsensitive automatisierte Messverfahren
Als „konventionell“ bezeichnet man Immunoassays älterer Generation, die eigentlich nicht mehr im Einsatz sein sollten. Die funktionale Sensitivität dieser Teste reicht nicht aus, um eine Entscheidungsgrenze an der 99. Perzentile einer gesunden Population zu definieren. Sensitive Messverfahren sind empfindlich genug, um bei 20-50 % der gesunden Individuen ein Troponin zu messen, mit hochsensitiven Messverfahren gelingt das bei bis zu 90 %. Damit sind sensitive Verfahren in der Regel, hochsensitive Verfahren immer geeignet, um an der 99. Perzentile mit einem Variationskoeffizienten von ≤10% reproduzierbare Ergebnisse zu liefern. Minimale Troponin-änderungen als Basis für Rule-in/ Rule-out Algorithmen bei Patienten mit Brustschmerz können jedoch nur mit hochsensitiven Messverfahren sicher erfasst werden.
Troponin T oder Troponin I ?
Die diagnostische Wertigkeit hochsensitiver Assays für TnT und TnI ist prinzipiell gleich. Die parallele Bestimmung beider Troponine hat keinen diagnostischen Zusatznutzen gegenüber der Einzelmessung von TnT oder TnI.  Aufgrund des Patentschutzes für Troponin T (ein Hersteller: Roche Diagnostics) sind Konzentrationsangaben und Patientenergebnisse für TnT weltweit vergleichbar. Für TnI befinden sich verschiedene Testverfahren auf dem Markt, die momentan noch nicht standardisiert sind. Entscheidungsgrenzen für TnI sind deshalb immer herstellerspezifisch.
Im Labor benutzen wir ein hochsensitives Messverfahren für Troponin T, alle folgenden Konzentrations-angaben beziehen sich deshalb ausschließlich auf TnT.

Troponin T bei Myokardinfarkt und aktuen koronaren Syndromen
Myokardinfarkt
Ein Myokardinfarkt (MI) liegt vor, wenn Symptome akuter kardialer Ischämie von typischen EKG-Veränderungen und/oder einem Anstieg kardialer Biomarker über die 99. Perzentile begleitet werden. Als Biomarker sollte bevorzugt ein kardiales Troponin verwendet werden.
Die 99. Perzentile der TnT-Konzentration Gesunder liegt bei 14 ng/l.
Ein TnT-Wert über dieser Entscheidungsgrenze ist jedoch nicht mit einem MI gleichzusetzen. Die 99. Perzentile verschiebt sich mit zunehmendem Lebensalter nach oben und liegt bei geschlechtsspezifischer Betrachtung für Frauen geringfügig niedriger als für Männer. Ferner erhöht sich die TnT-Konzentration bei Patienten mit Niereninsuffizienz und unter Hämodialyse. Einen geringfügigen Anstieg über die 99. Perzentile findet man regelmäßig bei Patienten mit instabiler Angina pectoris, auch ohne dass ein akuter Gefäßverschluss zu einer Myokardnekrose geführt hat.
Akute koronare Syndrome ohne ST-Elevation (NSTE-ACS)
NSTE-ACS umfassen die instabile Angina pectoris und den Myokardinfarkt ohne typische ST-Elevation (NSTEMI).
Während bei Thoraxschmerzen mit Infarkt-typischen EKG-Veränderungen auf eine Troponinbestimmung verzichtet werden kann, ist für die Differentialdiagnostik von NSTE-ACS die Messung des Troponins zwingend erforderlich.
Ein TnT ≥ 14 ng/l beweist nicht in jedem Fall einen MI, die Spezifität der Aussage verbessert sich aber mit zunehmender TnT-Konzentration. Den Empfehlungen der European Society of Cardiology (ESC) folgend spricht ein TnT ≥ 52 ng/l mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit für einen NSTEMI.
Andererseits schließt ein TnT unterhalb der 99. Perzentile einen MI nicht aus, wenn zum Zeitpunkt der Messung noch keine signifikante Myokardnekrose stattgefunden hat. Aus diesem Grunde empfiehlt die ESC für Patienten in der Notaufnahme die serielle Messung des Troponins im Abstand von einer Stunde (Zeitpunkt 0 und 1 h). Für diesen Rule-in/ Rule-out Algorithmus gelten folgende TnT-Grenzwerte:
MI-Ausschluss „Rule out“:
beide Troponinwerte < 12 ng/l und Änderung < 3 ng/l
NSTEMI „Rule in“:
Basiswert > 52 ng/l oder Änderung > 5 ng/l
Weitere Zustände (außer MI) mit Troponinanstieg
Teilweise deutliche Anstiege des Troponins über die genannten Entscheidungsgrenzen hinaus können auch bei einer Reihe weiterer Zustände und Erkrankungen (ohne primäre Myokardischämie) auftreten. Dazu zählen u.a. Tachyarrhythmien, Herzinsuffizienz, hypertensive Krisen, kritische Erkrankungen (z.B. Schock, Sepsis), Myokarditis, Tako-Tsubo Kardiomyopathie, Aortenstenose, Aortendissektion, Lungenembolie, Pulmonalarterienhochdruck sowie Verletzungen und Eingriffe am Herzen. Auch bei Extremsportlern (z.B. Marathonläufern) werden erhöhte Troponinwerte gemessen.
Troponin als Prognosemarker
Zahlreiche Studien belegen, dass jedes über die 99. Perzentile erhöhte Troponin als Ausdruck eines bestehenden kardiovaskulären Risikos zu werten ist. Diese Aussage wird inzwischen dahingehend erweitert, dass ein Troponin-Schwellenwert nicht existiert: bereits unterhalb von 14 ng/l korrelieren messbare TnT-Konzentrationen mit dem individuellen kardiovaskulären Risiko.
 
Literatur:
Roffi M et al.: 2015 ESC guidelines for the management of acute coronary syndromes in patients presenting without persistent ST-segment elevation of the European Society of Cardiology (ESC). Eur Heart J. 2015 doi:10.1093/eurheartj/ehv320
Bruno RR et al.: Interdisziplinäre Versorgung akuter Thoraxschmerzen. Dtsch Arztebl Int 2015; 112: 768–80. do: 10.3238/arztebl.2015.0768