Parvovirus B 19
Erreger Das Parvovirus B19 ist der einzige humanpathogene Vertreter der Gattung Parvoviridae; Familie Erythroviridae. Das kleine („parvus“) hüllenlose Virus besteht aus einer einzelsträngigen DNA, die von einem Viruscapsid aus 2 Proteinen (VP1, VP2) umgeben ist. Parvovirus B19 infiziert in erster Linie erythroide Vorläuferzellen und benutzt dazu das Blutgruppenantigen P als Rezeptor. Das P-Antigen wird von Erythroblasten aber auch von Megakaryozyten, Endothelzellen, fetalen Myokardzellen und in der Plazenta exprimiert, wodurch sich die große Bandbreite klinischer Manifestationen erklärt. Epidemiologie Einziges Erregerreservoir ist der Mensch. Parvovirus B19 wird durch respiratorische Sekrete und Speichel als Tröpfchen- oder Kontaktinfektionen übertragen und daher hauptsächlich durch engen Körperkontakt oder kontaminierte Gegenstände innerhalb der Familie oder in Kindereinrichtungen weitergegeben. Die Übertragung über Blut- und Blutprodukte sowie über den Kontakt mit Ausscheidungen ist ebenfalls möglich, spielt jedoch epidemiologisch eine geringere Rolle. Für das Personal in Kindereinrichtungen ist das Risiko einer Infektion an der Arbeitsstätte etwa fünfmal höher als in der übrigen Bevölkerung. Für seronegative Schwangere, die in solchen Einrichtungen tätig sind, wird deshalb lt. Mutterschutzgesetz ein Beschäftigungsverbot bis zum Ende der 20. Schwangerschaftswoche ausgesprochen. Bei immunkompetenten Patienten beginnt die virämische Phase etwa 4-5 Tage nach Infektion und erreicht zwei bis drei Tage später ihren Höhepunkt mit sehr hohen Viruskonzentrationen von 1011-1013 Partikeln/ml Blut, um danach zügig wieder abzufallen. Beim Auftreten des Exanthems nach durchschnittlich 14 Tagen enthalten Blut und Speichel noch etwa 104-108 Viruskopien/ml. Kinder im Exanthemstadium sind praktisch nicht mehr ansteckungsfähig! Bei Kindern ist das Virus in der Regel nach 3-4 Wochen eliminiert; bei Erwachsenen kann die virämische Phase mit 103-107 Viruskopien/ml mehrere Monate, gelegentlich länger, andauern. Die Infektion hinterlässt eine lebenslange Immunität. Die Durchseuchungsraten nehmen proportional zum Alter zu und betragen im Erwachsenenalter ca. 60-70 %. Häufige Manifestationen Ringelröteln (Erythema infectiosum): Nach einem unspezifischem Prodromalstadium entwickelt sich ein makulopapulöses Exanthem mit charakteristischer Ring- oder Girlandenbildung. Es beginnt meist mit feurig-roten Eruptionen an den Wangen und geht dann auf die Streckseiten der Gliedmaßen, den Stamm und das Gesäß über. Keine Schleimhautbeteiligung ! Arthralgien/Arthritis: Überwiegend bei Erwachsenen treten sehr häufig Arthropathien verschiedener Schweregrade auf. Die Parvovirus B19-induzierte Arthritis mit symmetrischem Befall der Handgelenke, aber auch der Fuß-, Knie- und Ellenbogengelenke kann der rheumatoiden Arthritis ähneln. Spontanheilung meist nach 10-14 Tagen, chronische Verläufe sind möglich. Anämie/Thrombozytopenie: Akute, meist transiente Anämie/ Thrombozytopenie auch bei asymptomatischem Verlauf. Bei Patienten mit chronischer hämolytischer Anämie besteht die Gefahr aplastischer Krisen. Chronische Verläufe werden hauptsächlich bei immunsupprimierten Patienten beobachtet. Ca. 30% der Infektionen verlaufen asymptomatisch. |
Therapie
Unkomplizierte Infektionen erfordern keine Therapie, ggf. ist eine symptomatische antirheumatische Behandlung erforderlich. Die Anämie wird selten transfusionspflichtig, schwere und chronische Verläufe können mit hochdosierter intravenöser Immunglobulingabe behandelt werden. Parvovirus B19 und Schwangerschaft Bei einer akuten Infektion der Mutter in der Schwangerschaft wird das Virus in ca. 30 % der Falle transplazentar ubertragen. Das gilt auch fur symptomlose Infektionen. Infizierbare fetale Erythroblasten bilden sich ab der 10.-12. Schwangerschaftswoche. Komplikationen beim ungeborenen Kind entwickeln sich verzogert, meist 2-8 Wochen nach der akuten Infektion der Schwangeren, gelegentlich spater. Im ersten Trimenon kann die fetale Infektion zum Abort fuhren. Nach dem ersten Trimenon fuhren ca. 20% der Infektionen durch Zerstorung der Erythroblasten zum Hydrops fetalis, der unbehandelt in . der Falle den intrauterinen Fruchttod zur Folge hat. Weitere Komplikationen sind eine uber den Geburtstermin hinaus bestehende Anamie und eine fetale Myokarditis. Embryopathien (Fehlbildungen) werden nicht beobachtet. Überwachung infizierter Schwangerer Ca. 90 % aller Schwangerschaften verlaufen nach einer Parvovirus B19-Infektion ungestört, so dass eine invasive Pränataldiagnostik nicht routinemäßig indiziert ist. Bei gesicherter Infektion der Schwangeren (typische Klinik u./o. labordiagnostisch gesicherte Infektion) sollten wöchentliche Ultraschall-Kontrollen (Dopplersonographie zur Erfassung der fetalen Anämie) erfolgen. Bleibt der Befund bis 12 Wochen nach der Infektion der Mutter regelrecht, so ist mit fetalen Komplikation nicht zu rechnen. Auffällige Ultraschallbefunde, die auf einen Hydrops fetalis hindeuten, sollten in einer spezialisierten Einrichtung weiter abgeklärt werden. Durch intrauterine Bluttransfusionen über die Nabelschnurvene können mehr als 80 % der infizierten Feten gerettet werden.
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