Hepatitis B-Screening in der Schwangerschaft: HBs-Ag möglichst früh bestimmen - antivirale Therapie bei Patientinnen mit hoher Viruslast empfohlen

11.07.2023
Seit 1994 ist die Bestimmung des HBs-Ag nach der 32. SSW Bestandteil der Mutterschaftsrichtlinien. Neugeborene Hepatitis B-infizierter Mütter erhalten seitdem unmittelbar nach der Geburt eine kombinierte aktiv/ passive Immunisierung gegen Hepatitis B, eine Maßnahme, mit der das Risiko einer perinatalen Infektion erheblich gesenkt wurde. Leider wird damit die Infektion des Neugeborenen nicht in jedem Falle verhindert, insbesondere bei hoher HBV-Viruslast der Mutter. Mittlerweile steht mit Tenofovir ein für Schwangere sicheres Arzneimittel zur Verfügung, mit dem die Viruslast effektiv gesenkt werden kann. Die aktuelle S3-Leitlinie zur Hepatitis-B-Virusinfektion empfiehlt, bei einer HBV-Viruslast von mehr als 200.000 IU/ml eine Therapie mit Tenofovir spätestens ab dem dritten Trimenon, bei Gefahr einer Frühgeburt ab dem zweiten Trimenon, zu beginnen.
Um dieser Empfehlung Rechnung zu tragen, muss die Untersuchung auf HBs-Ag möglichst früh in der Schwangerschaft und nicht erst in der 32. SSW erfolgen. Der G-BA hat deshalb am 20.04.2023 die Mutterschaftsrichtlinien entsprechend geändert.
 
Daraus leiten sich folgende Handlungsempfehlungen ab:
  1. Die Bestimmung des HBs-Ag in der Schwangerschaft sollte möglichst früh im Rahmen der Erstserologie erfolgen.
  2. HBs-Ag positiv: wir empfehlen, die Bestimmung der HBV-Viruslast unmittelbar anzuschließen (Nachforderung möglich). Die Untersuchung ist Budget-frei bei Angabe der Kennnummer 32005 ("Spezifische antivirale Therapie der chronischen viralen Hepatitiden") in Ihrer Abrechnung. Alternativ: Überweisung der Patientin in die hepatologische Sprechstunde.
  3. Viruslast > 200.000 IU/ml: Überweisung zu einem in der Therapie mit Tenofovir erfahrenen Arzt.
  4. Unverändert bei positivem HBs-Ag: aktiv/ passive Immunprophylaxe des Neugeborenen innerhalb von 12 h post partum (unabhängig von der HBV-Viruslast und unabhängig von einer Therapie).
  5. Auch wenn in der Schwangerschaft keine Therapie erforderlich war, wird die Vorstellung der Patientin in einer hepatologischen Sprechstunde empfohlen.
  6. Bei Patientinnen mit negativen HBs-Ag in der Frühschwangerschaft, die einer Risikogruppe angehören (z. B. Sexarbeiterinnen, i.v. Drogenabhängige), ist eine zweite HBsAg-Untersuchung in der Spätphase der Schwangerschaft sinnvoll.