Multiresistente gramnegative Stäbchen
Epidemiologie In den letzten 10 Jahren wurde ein deutlicher Anstieg der ß-Laktam-Resistenz, insbesondere der Resistenz gegen Cephalosporine der 3. und 4. Generation und der Resistenz gegen Carbapeneme, bei gramnegativen Infektionserregern beobachtet. Im Jahr 2000 lag der Anteil an Cefotaximresistenten Escherichia coli bei unter 1%, heute liegt er zwischen 5 und 12%. Resistenzmechanismen ß-Laktamasen sind bakterielle Enzyme, die durch hydrolytische Spaltung den ß-Laktamring zerstören. In den 1960er Jahren wurden ß-Laktamasen (z. B. TEM-1 oder SHV-1) beschrieben, die Penicilline und Schmalspektrum-Cephalosporine hydrolysieren können. Punktmutationen führten zur Erweiterung des Substratspektrums der ß-Laktamasen. Diese sog. Extended-Spectrum-ß-Laktamasen (ESBL) können 3. und 4. Generations-Cephalosporine sowie Aztreonam hydrolysieren. In Deutschland ist die vorherrschende Enzymklasse die CTX-M ESBL in E. coli und K. pneumonie Isolaten. Carbapenemasen sind Enzyme, die Carbapeneme (z. B. Meropenem, Ertapenem) und auch fast alle anderen ß-Laktam-Antibiotika zerstören können. In Deutschland dominieren Enterobacteriaceae mit den Carbapenemasen OXA-48, gefolgt von KPC und VIM1; NDM-1 ist noch selten. ESBL- und Carbapenemase-Gene liegen meist auf Plasmiden, die leicht innerhalb einer Spezies und zwischen verschiedenen Spezies übertragen werden können. Weitere Mechanismen, die eine Resistenz gegen 3. Generations-Cephalosporine vermitteln, sind die Überexpression einer chromosomal kodierten AmpC-ß-Laktamase oder eine erworbenen AmpC-ß-Laktamase. Eine Resistenz gegen Carbapeneme kann auch uber einen verminderten Influx durch Porinverlust oder eine Überexpression von Effluxpumpen vermittelt werden. Einteilung der KRINKO Die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut hat eine rein phänotypische Klassifizierung multiresistenter gramnegativer Stäbchen (MRGN) vorgenommen, da die zugrunde liegenden Resistenzgene sehr vielfältig sind. Für die Beurteilung werden Antibiotika (Acylureidopenicilline, 3./4. Generations-Cephalosporine, Carbapeneme, Fluorchinolone) betrachtet, die als primär bakterizide Therapeutika bei schweren Infektionen eingesetzt werden und deren Wirkungsverlust eine hohe klinische Relevanz hat. |
Leitsubstanz | Enterobakterien | Pseudomonas aeruginosa | Acinetobacter baumanii- complex | |||
3 MRGN | 4 MRGN | 3 MRGN | 4 MRGN | 3 MRGN | 4 MRGN | |
Piperacillin | R | R |
Nur eine der Antibi- otikagrup- pen wirksam. |
R | R | R |
Cefotaxim und/oder Ceftazidim | R | R | R | R | R | |
Imipenem und/oder Meropenem | S | R | R | S | R | |
Ciprofloxacin | R | R | R | R | R |
Die Leiter von Krankenhäusern und von Einrichtungen für ambulantes Operieren müssen nach § 23 IfSG das Auftreten von Krankheitserregern mit speziellen Resistenzen und Multiresistenzen fortlaufend aufzeichnen, bewerten und sachgerechte Schlussfolgerungen hinsichtlich erforderlicher Präventionsmaßnahmen daraus ziehen. |
Hygieneempfehlungen Im Krankenhaus sind für 3 MRGN in Risikobereichen, in denen Patienten mit erhöhter Infektionsgefahr gepflegt werden, Maßnahmen zur Prävention festzulegen und durchzuführen, zum Schutz der nicht besiedelten Patienten. Für 4 MRGN sind aufgrund der limitierten therapeutischen Möglichkeiten Maßnahmen zur Prävention für alle Krankenhausbereiche festzulegen und durchzuführen. Zur Infektionsprävention im ambulanten Bereich sind bei Nachweis von multiresistenten Erregern die konsequent eingehaltenen Standard-Hygienemaßnahmen als Basis in der Regel ausreichend, um die Erregerübertragung zu vermeiden. Bei direktem Patientenkontakt ist das Tragen persönlicher Schutzausrüstung erforderlich (geschlossene, langärmelige Einmalschutzkittel, Einmalhandschuhe). Diagnostische Möglichkeiten Die phänotypische ESBL-Testung wird für Escherichia coli, Klebsiella pneumoniae, Klebsiella oxytoca und Proteus mirabilis durchgeführt. Für diese Erreger stehen Interpretationskriterien der CLSI zur Verfügung. Phänotypische Untersuchungen auf Carbapenemase-Bildung werden mittels modifiziertem Hodge-Test, EDTA-Test und Borsäure-Test durchgeführt. Phänotypisch positive Ergebnisse werden vom NRZ für gramnegative Krankenhauserreger innerhalb von Studien molekulargenetisch weiter untersucht. Screening Als Screeningmaterial werden Rektalabstriche ggf. zusätzlich Urin und Abstriche von chronischen Wunden eingesetzt, bei Pseudomonas aeruginosa zusätzlich Rachenabstriche, bei Acinetobacter baumanii-complex Mund-Rachenabstriche und großflächige Hautabstriche. Allerdings sind bisher keine Verfahren zum Nachweis von 3 MRGN und 4 MRGN validiert. Bei einer aktiven Surveillance sollen Patienten mit Risiko für eine Besiedelung oder Infektion mit 4 MRGN gescreent und bis zum Vorliegen der Ergebnisse isoliert werden. Als Risikopatienten gelten Patienten mit kürzlichem Kontakt zum Gesundheitssystem in Ländern mit endemischem Auftreten und Patienten, die zu 4 MRGN positiven Patienten Kontakt hatten, d. h. im gleichen Zimmer gepflegt wurden. |
Eradikation Der Versuch einer Eradikation wird derzeit nicht empfohlen. Therapeutische Optionen bei Infektionen Für die Therapie einer Infektion mit 3 MRGN steht Meropenem/Imipenem zur Verfügung. Die Therapie einer Infektion mit 4 MRGN ist mit einzelnen Reserveantibiotika (z. B. Aminoglykoside, Tigecyclin, Colistin, Polymyxin B) je nach Vorliegen weiterer Resistenzen sehr eingeschränkt möglich. Meldepflicht Nach § 6 (3) IfSG ist dem Gesundheitsamt unverzüglich das gehäufte Auftreten nosokomialer Infektionen, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird, als Ausbruch nicht namentlich zu melden. Für den Nachweis von Carbapenmasen existieren länderspezifsche Meldepflichten in Hessen und Sachsen von Seiten des Labors. |
Literatur:
Bundesgesundheitsblatt (2012) 55: 1311-1354 Bundesgesundheitsblatt (2012) 55: 1401-1404
Bundesgesundheitsblatt (2012) 55: 1405-1409
Bundesgesundheitsblatt (2005) 48: 1061-1080
Leitfaden zu Organisation und Hygienemanagement in der Arztpraxis, Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene 01.03.2013
Epidemiologisches Bulletin 13. Mai 2013, Nr. 19