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Lipidstoffwechselstörungen Hyper- und Dyslipoproteinämien

Einleitung
Lipoproteine sind aus Lipiden (Cholesterin [Chol], Triglyceride [TG], Phospholipide) und Apolipoproteinen zusammengesetzte Partikel mit micellarer Struktur, die den Lipidaustausch zwischen verschiedenen Organen und Geweben gewährleisten.
Man unterscheidet die Triglycerid-reichen Chylomikronen und VLDL (Very-low-density-Lipoproteine) von den vorwiegend Cholesterin transportierenden LDL (Low-density-Lipoproteine) und den überwiegend Cholesterinester und Proteine enthaltenden HDL (High-density-Lipoproteine; siehe Tabelle).
Hyper- und Dyslipoproteinämien sind durch Konzentrations- u./o. Kompositionsveränderung eines oder mehrerer Lipoproteine im Plasma gekennzeichnet. Die Einteilung erfolgt auf genetischer und pathophysiologischer Grundlage in primäre oder sekundäre Formen; die Einteilung aufgrund des Phänotyps in der Lipidelektrophorese nach Fredrickson hat nur noch untergeordnete Bedeutung für die Klassifizierung primärer Hyperlipoproteinämien.
Für die Praxis bewährt sich die Einteilung in Therapiegruppen nach Art und Intensität der lipidsenkenden Therapie auf der Basis der unter Berücksichtigung des kardiovaskulären Risikos anzustrebenden Zielwerte.

 

  Lipidanteil Stoffwechsel/ Hauptfunktion Atherogenität
Hauptapolipoproteine
Chylomikronen >98%, überwiegend TG Synthese im Darm aus Nahrungstriglyceriden. Transport über D. thoracicus in die V. cava.  Im Plasma Abbau der TG durch Wirkung der endothelständigen Lipoprotein-lipase (Kofaktor: Apo CII).  Umwandlung in Chylomikronen-Remnants, Abbau in der Leber. Funktion: Transport exogener TG.

-

Remnants: ++

Apo B48, Apo C, Apo E
VLDL 88%, überwiegend TG (ca. 15% Chol)

Synthese in der Leber. Im Plasma Abbau der Triglyceride durch Wirkung der Lipo-proteinlipase. Umwandlung in Intermediate Density-Lipoproteine (IDL) und LDL.

Funktion: Transport der endogen aus Kohlenhydraten synthetisierten Triglyceride in die Peripherie.

-

IDL: ++

Apo B100, Apo C, Apo E
LDL 75%, überwiegend Chol Cholesterintransport in periphere Gewebe über Bindung von Apo B an LDL-Rezeptor. Alternativer Abbau über Scavenger-Rezeptor auf Makrophagen: Bildung von Schaumzellen als atherogener Mechanismus. +++
Apo B100
HDL 50%, überwiegend Cholesterin-Ester und Phospholipide Lipidaustausch zwischen peripheren Geweben und der Leber sowie mit anderen Lipoproteinen im Plasma. antiatherogen
Apo A1, Apo E

 

I. Basisdiagnostik

Gesamt-Cholesterin (Chol), Triglyceride (TG), LDL-Cholesterin (LDL-C), HDL-Cholesterin (HDL-C)
Material: Serum
Blutentnahme nüchtern, d.h. >12h Nahrungskarenz, >48h Vermeidung kalorischer Exzesse. Die übermäßige Zufuhr von Vitamin C stört die
Bestimmung und führt zu falsch niedrigen Werten.
Auffällige Befunde sollten vor einer Therapieentscheidung bei einer erneuten Blutentnahme nach zwei bis vier Wochen bestätigt werden.

Auf der Basis dieser Werte ergibt sich folgende einfache Einteilung der Hyperlipoproteinämien für die Praxis: 

  Chol TG LDL-C HDL-C
LDL-Hypercholesterinämie
Hypertriglyceridämie (↓)
Kombinierte Hyperlipoproteinämie (↓)
HDL-Erniedrigung  

 

II. Weiterführende Diagnostik

Apolipoprotein A1, Apolipoprotein B und Quotient ApoB/ApoAI, Lipidelektrophorese, Lipoprotein (a)


III. Ausschluss sekundärer Hyperlipoproteinämien

Phänotyp Mögliche Ursachen
Hypercholesterinämie (LDL ↑) Hypothyreose
Akute intermittierende Porphyrie
Hypertriglyceridämie
(VLDL ↑ u./o. Chylomikronen ↑)
Diabetes mellitus Typ 2 Alkoholabusus (HDL oft ↑) Chronische Niereninsuffizienz, Übermäßige Kalorienzufuhr, Medikamente: ß-Blocker
Kombinierte
Hyperlipoproteinämie
(LDL ↑ u. VLDL ↑)
Nephrotisches Syndrom, Cushing Syndrom, Hypothyreose, Medikamente: Thiazide, Glukokortikoide


IV. Diagnostik primärer Hyper- und Dyslipoproteinämien (Auswahl)

Bezeichnung Vermehrte Fraktion KHK-Risiko Pankreatitis-Risiko Häufigkeit Gendefekt*
Polygene Hypercholesterinämie LDL; Chol ~ 250-400 mg/dl ↑↑ normal sehr häufig polygen
Familiäre Hypercholesterinämie (FH)

LDL; LDL-C
heterozygot 220-650 mg/dl
homozygot 500-1000 mg/dl

↑↑↑

heterozygot 1:500
homozygot: 1:106

LDL-Rezeptor

Familiäres defektes Apo B100 (FDB)

LDL; Cholesterinerhöhung
geringer als bei FH,
korreliert mit Art der Mutation

↑↑ heterozygot 1:750 ApoB100

Familiäre Dysbetalipoproteinämie
(Hyperlipidämie Typ III)

Chylomikronen und VLDL-Remnants; „broad-ß“-Fraktion in der Lipidelektrophorese ↑↑ 1:5000

ApoE
(E2-Homozygotie)

Familiäre Hypertriglyzeridämie

Chylomikronen  und VLDL;
TG ~ 200-500 mg/dl

normal 1:500 unbekannt
Lipoproteinlipase-Defizienz

Chylomikronen, (VLDL);

 TG >> 1000 mg/dl
normal ↑↑↑ 1:106 LPL
Apolipoprotein C-II-Defizienz ApoC2

Familiäre kombinierte
Hyperlipoproteinämie

VLDL und LDL; LDL-C mäßig erhöht bis 220 mg/dl,
TG ~ 180-300 mg/dl

↑↑ normal 1:300 unbekannt
Hepatischer Lipase Mangel VLDL-Remnants; TG deutlich; Chol mäßig erhöht ↑↑ < 1:106 HTGL
Isolierte HDL-Erniedrigung
HDL-C unter 40 mg/dl ist ein unabhängiger Risikofaktor für eine KHK. HDL-Verminderungen treten überwiegend sekundär im Rahmen eines Metabolischen Syndroms oder einer durch andere Ursachen bedingten Hyperlipoproteinämie auf. Extreme Verminderungen (HDL-C < 10 mg/dl) sind meist Ausdruck einer genetisch bedingten Hypo- oder An-Alphalipoproteinämie. Primäre HDL-Mangel-Syndrome können molekulargenetisch diagnostiziert werden.
Bezeichnung Zugrunde liegender Gendefekt
Lecithin-Cholesterin-Acyltransferase-Defizienz (Fish-Eye-Disease) LCAT
Apolipoprotein A1-Defizienz Apo A1
An-Alpha-Lipoproteinämie (Tangier-Krankheit) ABCA1

*Für die grau hinterlegten Defekte ist eine molekulargenetische Diagnostik etabliert (Material: EDTA-Blut).