Präanalytik
Präanalytik
Einfluss- und Störgrößen
Als Störgrößen bezeichnet man Eigenschaften der Probe, die das Messverfahren stören und deshalb ein falsches Messergebnis bedingen.
Demgegenüber sind Einflussgrößen Faktoren, die im Patienten zu einer Veränderung der Messgröße führen.
Das heißt: das Labor ermittelt ein technisch richtiges Messergebnis, das jedoch nur im Kontext der Einflussgröße korrekt interpretiert werden kann.
Demgegenüber sind Einflussgrößen Faktoren, die im Patienten zu einer Veränderung der Messgröße führen.
Das heißt: das Labor ermittelt ein technisch richtiges Messergebnis, das jedoch nur im Kontext der Einflussgröße korrekt interpretiert werden kann.
Steuerbare Einflussgrößen
Bestimmte Einflüsse auf das Laborergebnis können durch richtige Patientenvorbereitung bei einer geplanten Blutentnahme vermieden werden.
Zu den steuerbaren Einflussgrößen zählen:
- Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme
- Tagesrhythmik von Parametern
- Körperlage
- Medikamenteneinnahme und medizinische Maßnahmen
Einflussgröße Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme
Der Patient sollte nüchtern sein. Als "nüchtern" gilt nach Empfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft ein Patient, der mindestens 8 Stunden gefastet hat. Es liegt jedoch auf der Hand, dass die Empfehlungen weder unter praktischen (nicht alle Patienten können morgens zur Blutentnahme erscheinen) noch unter medizinischen Gesichtspunkten (z. B. Kleinkinder, Hypoglykämie-gefährdete Diabetiker) in allen Fällen umsetzbar ist.
Deshalb sollten die folgenden Regeln beachtet werden:
Blutentnahme nur am nüchternen Patienten für folgende Parameter:
- Glucose
- Insulin
- C-Peptid
- Parameter des Fettstoffwechsels
- Funktionsteste, bei denen ein Glucose-Anstieg bzw. -Abfall relevant ist (oGTT, Insulin, Hypoglykämietest)
- gastrointestinale Funktionsteste
Bei allen anderen Parametern kann die Blutentnahme auch am nicht nüchternen Patienten erfolgen; d. h. eine leichte Nahrungsaufnahme kann gestattet werden. Hierbei sollte ein Exzess an Fetten und Kohlenhydraten in jedem Fall vermieden werden.
Für einzelne Messgrößen müssen bestimmte diätetische Einschränkungen, die Sie unserem Leistungsverzeichnis entnehmen können, beachtet werden.
Hiervon betroffen sind z. B. die Anlayte Hydroxyindolessigsäure, Katecholamine und dessen Metabolite und der Nachweis von okkultem Blut im Stuhl.
Einflussgröße Tagesrhythmik von Parametern
Bestimmte Parameter (vor allem Hormone, siehe Tabelle) zeigen eine ausgeprägte Tagesrhythmik. Daher muss in Abhängigkeit von der Fragestellung der Abnahmezeitpunkt richtig gewählt werden.
Dies betrifft in der Praxis am häufigsten die Achse Hypophyse - Nebennierenrinde und damit die Parameter Cortisol und ACTH.
Analyt |
Uhrzeit Maxiumum |
Uhrzeit Minimum |
Amplitude (% Tagesmittelwert |
ACTH | 6 - 10 | 0 - 4 | 150 - 200 |
Cortisol | 5 - 8 | 21 - 3 | 180 - 200 |
Aldosteron | 2 - 4 | 12 - 14 | 60 - 80 |
TSH | 20 - 2 | 7 - 13 | 20 - 30 |
Eisen | 14 - 18 | 2 - 4 | 50 - 70 |
Einflussgröße Körperlage
Beim Lagenwechsel eines Patienten kommt es zu einer Wasserverschiebung im Körper. Konzentrationen von Blutbestandteilen sind daher abhängig von der Körperlage. Deshalb muss vor einer Blutentnahme (z. B. nach längerem Stehen) die Äquilibrierung der Körperlage abgewartet werden.
Einige Parameter (z. B. Aldosteron, Adrenalin, Noradrenalin und Renin) werden durch Blutdruck und Herzfrequenz, die ihrerseits von der Körperlage abhängig sind, beeinflusst. Deshalb ist es zur Bestimmung von Ruhespiegeln besonders wichtig, den Patienten ausreichend lang an die Ruhelage adaptieren zu lassen.
Das gleiche Phänomen beobachtet man bei zu langem Stauen der Vene (länger als 30 sec.). Auch hier fließen das Wasser und die niedermolekularen Blutbestandteile ins Interstitium ab. Blutzellen, Makromoleküle und proteingebundene Substanzen können die Membran nicht passieren und reichern sich im Intravasalraum an.
Einflussgröße Medikamenteneinnahme und medizinische Maßnahmen
Behandlungen durch den Arzt oder Einnahme von Medikamenten können Veränderungen einiger Parameter hervorrufen.
So erhöht z. B. eine Mamma-Palpation den Prolaktinspiegel und eine Prostata-Massage den PSA-Wert.
Medikamente wie z. B. Phenothiazin erhöhen den Katecholaminspiegel, da sie eine vermehrte Ausschüttung und gleichzeitig eine verminderte Aufnahme in die Zellen induzieren.
Proben für Medikamentenspiegel werden meist kurz vor der morgendlichen Einnahme (Talspiegel) entnommen.
Bei manchen Medikamenten müssen aber auch die Maximalspiegel (Spitzenspiegel) kontrolliert werden. Der richtige Zeitpunkt der Probennahme hängt hier vorn der Pharmakokinetik ab.
Nicht steuerbare Einflussgrößen
Nicht steuerbare Einflussgrößen sind gegebene biologische Eigenschaften des Patienten, die nicht von der Patientenvorbereitung abhängen.
Sofern Sie Kenntnis von solchen Faktoren haben, sollten Sie das dem Labor mitteilen, um die Befundinterpretation im richtigen Kontext zu gewährleisten.
Zu diesen Einflussgrößen zählen u. a.:
- Alter
- Geschlecht
- Zyklus bei Frauen
- Schwangerschaft
- Grunderkrankung
- Ethnische Herkunft
Der Einfluss von Alter und Geschlecht auf viele Laborparameter ist hinlänglich bekannt und wird vom Labor durch die Verwendung alters- und geschlechtsspezifischer Referenzbereiche berücksichtigt. Der hormonelle Zyklus der Frau beeinflusst den Spiegel der Geschlechtshormone, deshalb sollten Informationen über den Zyklustag, Zyklusanomalien oder eine bereits eingetretene Menopause mitgeteilt werden.
Schwere Grunderkrankungen, eine Schwangerschaft oder auch die ethnische Herkunft eines Patienten können im Einzelfall eine differenziertere Interpretation des Laborbefundes erforderlich machen. Hierzu empfehlen wird ggf. unsere Fachärzte zu konsultieren.
Störgrößen
Zu den wichtigsten Störgrößen gehören Hämolyse und Lipämie, die vor allem Testverfahren beeinträchtigen, bei denen Farbumschläge oder Trübungen gemessen werden.
Andere häufige Störungen sind durch Medikamente oder immunologische Phänomene bei bestimmten Grunderkrankungen (EBV-Infektion, Gammopathien, Autoimmunerkrankungen) bedingt.
Einen Teil der relevanten Störgrößen können Sie durch präanalytische Maßnahmen (nüchterner Patient!), eine korrekte Blutentnahmetechnik sowie durch geeignete Bedingungen der Probenverarbeitung und des Probentransports verhindern.
Selbstverständlich haben Sie keine Möglichkeit Störgrößen zu beeinflussen, die ein Merkmal der Krankheit des Patienten sind (z. B. die intravasale Hämolyse bei autoimmunhämolytischer Anämie oder die Lipämie bei einer schweren Fettstoffwechselstörung).
Zweifelhafte Ergebnisse, die in diesem Zusammenhang bei Ihren Patienten auftreten, sollten Sie immer mit einem Facharzt für Laboratoriumsmedizin diskutieren!
Potentiell von einer Biotininterferenz betroffene Testverfahren
Viele kommerzielle Immunoassays nutzen technologisch die Bindung biotinylierter Antikörper und Proteine an Streptavidin-beschichtete Oberflächen oder Substrate. Theoretisch besteht bei diesen Testen die Möglichkeit einer Interferenz mit Biotin, wenn es in sehr hoher Konzentration in der Patientenprobe vorliegt. Ergänzungspräparate, die hohe Dosen Biotin (Vitamin H) enthalten, können rezeptfrei in der Apotheke erworben werden, zudem wird Biotin auch therapeutisch eingesetzt. In der jüngeren Vergangenheit wurden einige Fälle publik, bei denen durch Biotin-Interferenz verursachte falsche Laborergebnisse zu klinisch relevanten Folgen für den Patienten geführt haben. Potentiell betroffen sind alle Immunoassays, bei denen in einem Arbeitsschritt Streptavidin-beschichtete Mikropartikel zusammen mit Biotin-enthaltendem Serum oder Plasma inkubiert werden. Dazu zählen in unserem Labor die elektrochemischen Lumineszenzimmunoassays (ECLIA) der Fa. Roche Diagnostics sowie auf ähnlichen Detektionsprinzipien beruhende Teste der Fa. Siemens.
Potentiell von einer Biotininterferenz betroffene Testverfahren, Biotinkonzentration, bis zu der eine Interferenz durch den Hersteller ausgeschlossen wurde und mögliche Veränderung der Testergebnisse durch Biotininterferenz
Stand: 01.07.2022, Änderungen vorbehalten
Parameter |
Biotingrenzwert (ng/ml) |
Möglicher Einfluss auf Wertelage |
|
ACTH |
60 |
niedriger |
|
AFP |
60 |
niedriger |
|
Anti-Müller-Hormon (AMH) |
30 |
niedriger |
|
CCP-Antikörper |
30 |
niedriger |
|
C-Peptid |
60 |
niedriger |
|
CA 125 |
35 |
niedriger |
|
CA 15-3 |
100 |
niedriger |
|
CA 19-9 |
100 |
niedriger |
|
CA 72-4 |
60 |
niedriger |
|
CEA |
120 |
niedriger |
|
Cortisol |
30 |
höher |
|
Cyclosporin |
30 |
höher |
|
CYFRA 21-1 |
50 |
niedriger |
|
DHEA-Sulfat |
30 |
höher |
|
Digitoxin |
50 |
höher |
|
Digoxin |
100 |
höher |
|
Erythropoetin1) |
5 |
niedriger |
|
Folsäure/ Folsäure im Erythrozyten |
21 |
höher |
|
Freies FT3 |
70 |
höher |
|
Freies FT4 |
100 |
höher |
|
FSH |
60 |
niedriger |
|
Gastrin1) |
2 |
niedriger |
|
HCG/ Beta-HCG |
80 |
niedriger |
|
HE4 |
50 |
niedriger |
|
Holotranscobalamin |
30 |
höher |
|
IgE gesamt |
100 |
niedriger |
|
Insulin |
60 |
niedriger |
|
LH |
50 |
niedriger |
|
NT-proBNP |
30 |
niedriger |
|
NSE |
100 |
niedriger |
|
Östradiol |
36 |
höher |
|
Parathormon intakt |
50 |
niedriger |
|
PINP (Prokollagen INP) |
50 |
niedriger |
|
PLGF |
30 |
niedriger |
|
Procalcitonin |
30 |
niedriger |
|
Progesterone |
30 |
höher |
|
Prolaktin |
40 |
niedriger |
|
PSA frei |
30 |
niedriger |
|
PSA gesamt |
60 |
niedriger |
|
S-100 Protein |
50 |
niedriger |
|
sFLT-1 |
30 |
niedriger |
|
SHBG |
60 |
niedriger |
|
TAK (Thyreoglobulin-Ak) |
60 |
niedriger |
|
Testosteron gesamt |
30 |
höher |
|
Thyreoglobulin (Tg) |
30 |
niedriger |
|
TPO-Ak |
10 |
höher |
|
Troponin |
20 |
niedriger |
|
TSH |
25 |
niedriger |
|
TSH-Rezeptor Ak |
10 |
höher |
|
Vitamin B12 |
50 |
höher |
|
|
|
|
|
Hepatitis und HIV |
|
|
|
Anti-HAV |
50 |
höher / falsch positiv |
|
Anti-HAV IgM |
50 |
falsch negativ |
|
HbS-Ag |
40 |
falsch negativ |
|
HbS-Ag quantitativ |
40 |
niedriger |
|
HBe-Ag |
40 |
falsch negativ |
|
Anti-HBc |
30 |
falsch positiv |
|
Anti-HBc IgM |
100 |
falsch negativ |
|
Anti-HBe |
100 |
falsch positiv |
|
Anti-HBs |
8 |
falsch negativ / niedriger |
|
Anti-HCV |
42 |
falsch negativ |
|
HIV 1/2 Ak + p24 Ag |
30 |
falsch negativ |
|
Angaben zu den Biotingrenzwerten auf der Basis der Angaben von Roche Diagnostics (ECLIA) bzw. 1) Siemens Healthineers. Möglicher Einfluss auf die Wertelage auf der Basis des Testprinzips: kompetitive Immunoassays: Abnahme des Messsignals führt zu erhöhten bzw. falsch positiven Messergebnissen; Sandwichprinzip: Abnahme des Messsignals führt zu erniedrigten bzw. falsch negativen Resultaten.